Wie verändert Künstliche Intelligenz die medizinische Pflege und Diagnose?

KI ind Medizin und Pflege Teaserbild

Dario Antweiler, Data Scientist am Fraunhofer IAIS und Experte für Healthcare Analytics, beantwortet, wie Künstliche Intelligenz bereits heute die Pflege von Patient*innen und die medizinische Diagnose verändert, welche Chancen und Risiken KI-Technologien in der Medizin innehaben und was pflegende Personen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz beachten sollten.

Der Einfluss von Künstlicher Intelligenz in Medizin und Pflege

Künstliche Intelligenz (KI) kann dabei helfen, medizinisches Fachpersonal in ihrem Arbeitsalltag sowie Patient*innen während einer Behandlung beiderseits zu unterstützen. So helfen KI-Systeme bereits heute dabei, frühzeitig Gefahren zu erkennen, wie zum Beispiel ein Risiko für Druckgeschwüre bei bettlägerigen Personen. Sie vereinfachen zudem die Dokumentation der Pflege, unter anderem durch eine intelligente Wunddokumentation per Foto-App und Spracherkennung bei der Anamnese. In einem unserer Forschungsprojekte entwickeln wir eine intelligente Protokollerstellung durch KI-Spracherkennung für den Schockraum, in dem schwerverletzte Patient*innen behandelt werden („TraumAInterface“). Im Projekt „SmartHospital.NRW“ werden mehrere KI-Anwendungen für Krankenhäuser entwickelt, darunter ein automatisierter Arztbriefgenerator. Auch medizinische Diagnosen werden mittlerweile durch Künstliche Intelligenz unterstützt, in dem zum Beispiel dem ärztlichen Personal bei der Befundung von radiologischen Aufnahmen automatisch Bildbereiche mit besonderen Vorkommnissen angezeigt und Befund-Vorschläge gemacht werden. Ergänzend kann KI auch bei vielen nicht-medizinischen Prozessen im Gesundheitswesen helfen, wie beispielsweise einer optimierten Personalplanung oder Lieferkettenanalyse in der Logistik. Dadurch verändern sich viele Bereiche der Diagnostik, Pflege und Therapie von Patient*innen. Einerseits können KI-Technologien die Arbeitslast durch gute Vorschläge und sinnvolle Hinweise sowie die Automatisierung von Organisationsaufgaben (zum Beispiel Dokumentation) reduzieren, Missverständnisse und Fehlern vorbeugen und andererseits neue personalisierte Therapien ermöglichen. Darüber hinaus werden sich durch die Digitalisierung die Aufgaben von Mitarbeitenden verändern und gänzlich neue Jobprofile mit technischen Fähigkeiten entstehen.

Chancen und Risiken des KI-Einsatzes in der Medizin

Im Anwendungsfeld Medizin kann die Gesellschaft zunächst durch Künstliche Intelligenz profitieren, indem KI hilft eine hochqualitative und personalisierte Therapie und Pflege für alle Patient*innen zu gewährleisten. Durch den demografischen Wandel und eine steigende Lebenserwartung wachsen die Patient*innenzahlen stetig an und es mangelt an Personal. Eine sinnvolle Integration von Technologien in den Arbeitsalltag von ärztlichem und pflegerischem Personal kann mehr Zeit für die direkte Behandlung und Pflege eröffnen sowie Kosten im Gesundheitssystem einsparen. Wichtig bei der Integration von KI in medizinische Prozesse ist hierbei die frühzeitige Einbeziehung von Anwender*innen in den Entwicklungsprozess. Des Weiteren müssen systematische Verzerrungen in den zugrunde liegenden Daten erkannt und vermieden werden. Beispielsweise sollten die Daten geschlechtsspezifisch ausgewogen sein, da mittlerweile klar wird, wie unterschiedlich Erkrankungen und Therapien sich bei Männern und Frauen darstellen können. Trainierte KI-Modelle können zu diesem Zweck spezifisch auf Fairness getestet werden. Zuletzt muss auch ein blindes Vertrauen gegenüber Technologien (Automation Bias) durch transparente Erklärungen und Interaktivität mit den KI-Systemen vermieden werden. Sonst könnte dies dazu führen, dass wir einer automatischen Empfehlung mehr vertrauen als angemessen.

Was gibt es für die zu pflegenden Personen zu beachten?

Patient*innen sollten eingeladen werden, sich an der Entwicklung von KI-Anwendungen aktiv zu beteiligen. KI-Systeme benötigen intensives Feedback von Menschen, die am Ende mit den Anwendungen interagieren sollen. Dadurch werden aktiv abstrakte Ängste abgebaut, die weiterhin in der Gesellschaft gegenüber Begriffen wie „Algorithmus“ und „Künstliche Intelligenz“ bestehen. Für den erfolgreichen Einsatz benötigt es ein informiertes Vertrauen des Menschen gegenüber der Maschine. Dies wird durch eine transparente Aufklärung durch medizinisches Personal und ein Grundverständnis für digitale Technologien gewährleistet. Daher sollten breit gefächerte Angebote in der Gesellschaft zu sogenannter „Digitaler Gesundheitsbildung“ eingeführt werden, bei denen Menschen über die Vor- und Nachteile aufgeklärt werden und damit zu selbstständigen Einschätzungen befähigt werden. Außerdem muss das medizinische Personal intensiv geschult und auf Rückfragen seitens der Patient*innen vorbereitet werden.

Dario Antweiler

Dario Antweiler ist Data Scientist am Fraunhofer Institut IAIS in Sankt Augustin im Geschäftsfeld Healthcare Analytics und betreut Projekte in den Themenbereichen Digitalisierung im Krankenhaus sowie Künstliche Intelligenz in der Pharmakologie. Sein Forschungsfeld ist Machine Learning auf Graphen und Netzwerken.

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